Büchners Aretino
eine Fiktion von Jan-Christoph Hauschild
Die Handlung spielt im Rom des Jahres 1522. Der tägliche Kampf um die Grundbedürfnisse gebiert ein allgemeines Sündenbewusstsein. Die Menschen leben in Furcht und Schrecken vor den Strafen, die sie im Jenseits erwarten. Geschäftstüchtige Politiker und religiöse Fanatiker wissen dies in einträgliche Bahnen zu lenken, das Ablasswesen blüht.
Die spitze Feder des Satirikers mit dem Motto “Veritas odium parit (die Wahrheit brütet Hass aus)” macht Aretino beim Volk und bis in die höchsten Kreise berühmt. Doch ein System, das davon lebt, den einzelnen in wirtschaftlicher, politischer und geistiger Abhängigkeit zu halten, kann dies nicht lange dulden …
Die Inszenierung stellt zunächst die Frage, was Georg Büchner an der historischen Figur Pietro Aretino gefesselt und zum Schreiben eines Stückes bewegt haben könnte. Vielleicht dies: “Es gibt kein richtiges Leben im falschen” – Ein berühmter Satz Adornos, der bis heute durch seinen Auffordungscharakter beunruhigt und auf Büchners eigenes Dilemma verweist, welches er im sogenannten „Fatalismus-Brief“ an seine Geliebte formuliert hat: Der Mensch könne nicht aktiv in den alles verschlingenden Prozess der Geschichte eingreifen, sondern sei lediglich deren Spielball, der Einzelne nur „Schaum auf der Welle“.
Wohl haben bis heute die meisten Revolutionen tatsächlich „ihre Kinder gefressen“ – wie Büchner seinen Danton feststellen läßt – doch liefert die Geschichte ausreichend Beispiele, in denen die Anstrengungen Einzelner weit über ihr persönlich empfundenes oder reales Scheitern hinaus Wirkungen entfaltet haben, ohne die die Entwicklung moderner Gesellschaften nicht denkbar gewesen wäre.
Insofern wollen wir mit unserer Arbeit Büchner und Aretino zum Vorbild nehmen für ein Plädoyer, ungeachtet des persönlichen Fortkommens die Fragen nach Werten, Wahrheit und Menschenrechten auch zukünftig nicht nur den Mächtigen zu überlassen.